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Text braucht Zeit (ist Geld)

Wie viel Zeit darf/sollte man für das Schreiben eines Textes aufwenden? Eine Frage, die mich seit bald zwanzig Jahren bei jedem Projekt begleitet.

Der einfache Teil der Antwort*: Hängt vom Budget ab. Ein anderer, für mich als Texter mindestens ebenso wichtiger, lässt sich am besten anhand einer kleinen Aufgabe vorführen:

Beschreiben Sie uns Ihr Büro mit Ihren eigenen Worten so, dass wir es uns möglichst in allen Details bildlich vorstellen können. Mit dem Ziel, dass wir Sie dort unbedingt mal besuchen wollen.

Sammeln Sie alle wichtigen Informationen

Wie gross ist Ihr Büro? Wie hoch? Wie lang? Wie breit? Wie viele Personen sitzen mit Ihnen im Raum? Wo? In welcher Funktion? Gibt es Fenster? Wie viele? Wie gross? Frisch geputzt, oder leicht verschmutzt? Mit Vorhang? Gar mit Gardine? Rolladen? Welcher Ausblick? Wie viele Türen gibt es? Wo führen sie hin? Parkett oder Teppich? In welcher Farbe? Noch neuwertig, oder erzählt er schon einige Geschichten? Wie gross ist Ihr Schreibtisch? Aus welchem Material? Was steht alles drauf? Warum? (Sie sind noch bei mir? Sehr schön. So weit lesen nicht alle. Es geht aber noch weiter.) Wie sieht Ihr Stuhl aus? Farbe? Form? Woher haben Sie ihn. Warum wählten Sie genau diesen Stuhl? Welche Lampen beleuchten Ihren Arbeitsplatz? Stehlampen? Deckenlampen? Tischlampen? Von welchem Hersteller? Welches Design? Neonröhren, Glühlampen, Sparlampen, LED? Gibt es Pflanzen? Welche? Wer brachte sie mit? Wem gehören sie? Wer pflegt sie? …

Ich bin sicher, Sie können ohne weiteres binnen kürzester Zeit mehrere Seiten mit einer detaillierten Beschreibung Ihres Büros füllen, so dass wir Leser ein ziemlich gutes Gefühl für die Atmosphäre bekommen.

Aber bedenken Sie:

Geschriebener Text kostet Zeit. Entweder den Schreiber oder den Leser.

Die Zeit, die wir mit dem ungefilterten, unstrukturierten, wuchernden Zusammentragen unzähliger Daten gespart haben, muss nun unser Leser aufwenden, um alle für ihn relevanten Informationen aus unserem Monolog herauszufiltern.

Diese Arbeit wollen (und sollten) wir nicht dem Leser – und möglichem Kunden – aufbürden. Das ist nicht sehr nett und hinterlässt beim Lesenden kein gutes Bild von uns als Urhebern des Textes.

Kürzen wir also in einem nächsten Schritt unsere Beschreibung. Sagen wir auf eine halbe A4-Seite in Schriftgrösse 12.

Lassen Sie Unwichtiges weg

Wir können zum Beispiel zunächst einfach die vermutlich reichlich vorhandenen Adjektive streichen. Aber Vorsicht, dass dabei nicht gleich alle Eigenschaften verloren gehen.

Fertig? Sehr gut. Ich vermute aber, dass das noch nicht reicht. Lassen wir also in einem nächsten Schritt alle Informationen weg, deren Auslassung das Gesamtbild nicht allzu sehr verändern. (Ja, eine schwierige Aufgabe. Lassen Sie sich ruhig Zeit.) Überlegen Sie, welche Informationen Ihre Leser (und falls Webtext, Suchmaschinen) für ein vollständiges Bild unbedingt erhalten müssen.

Nehmen Sie wichtiges Weggelassenes wieder auf

Lesen Sie Ihren Text hin und wieder komplett durch. Sollten nach dem letzten Schritt plötzlich wichtige Informationen für das Gesamtbild fehlen, nehmen Sie entfernte Worte und Sätze die Sie vermissen unbedingt wieder in Ihre Sammlung auf. Lassen Sie weg und fügen Sie hinzu, bis Sie die gewünschte halbe A4-Seite erreicht haben (Ohne auf Schriftgrösse 8 Punkt auszuweichen).

Vermutlich haben wir jetzt eine ganz ansehnliche Liste wichtiger Begriffe zusammen. Und ebenso vermutlich haben wir durch das ganze Wegstreichen und Hinzufügen etwas den roten Faden verloren. Vielleicht besteht unser Text jetzt sogar nur noch aus Satzfragmenten und Stichworten. Das sollten wir ändern, bevor wir unseren Text in die Welt entlassen.

Lassen Sie die Sätze fliessen

Damit auch unsere gekürzte Beschreibung flüssig und ohne längeres Nachdenken verstanden werden kann, sollten wir aus unseren Teilsätzen wieder ganze Sätze bilden, die sich aufeinander beziehen. Eine Beschreibung mit einem Anfang, einer Mitte und einem Ende. Es kann auch nichts schaden, wenn wir den Leser einbeziehen und ihn durch unser Büro begleiten.

Wir können ihm zum Beispiel beschreiben, dass er vom Eingang aus direkt vor sich in der linken Raumecke den blauen Stehtisch von Entwickler Max Muster sieht. Gleich dahinter sitzt Texterin Miriam Muster (nicht verwandt) vor Ihrem Laptop der Marke A an ihrem roten Tisch. Durch das Zusammenführen solcher Informationen entsteht ein kompakterer Text und ein dichteres Bild des Raumes. Und wir sparen damit Zeichen.

Da ganze Sätze normalerweise etwas mehr Platz als Stichworte benötigen werden wir unsere 1/2 A4-Vorgabe inzwischen trotzdem wieder gesprengt haben.

Finden Sie bildliche Umschreibungen

Um die Textmenge noch einmal etwas zu reduzieren, können wir uns auch fragen, ob wir wirklich die fünf Decken-, sieben Tisch- und zwei Stehlampen explizit erwähnen müssen. Vielleicht reicht es ja, wenn wir den Raum als lichtdurchflutet beschreiben.

Den Stil von Möbeln können wir gegebenenfalls auch mit dem Stil eines bestimmten Möbelhauses (oder einer Epoche) in Verbindung bringen, ohne jedes Detail benennen zu müssen und trotzdem ein passendes Bild zu vermitteln. Je nach Fokus und gewünschter Aussage.

Fassen Sie zusammen

Sollte der Text jetzt immer noch zu lang sein, ersetzen Sie wo möglich “und” durch Komma. Verschmelzen Sie kurze Sätze mit ähnlichem Inhalt. (Er sitz an diesem Arbeitsplatz da vorne. Sie sitzt am anderen Arbeitsplatz dort hinten. > Sie sitzt am Tisch hinter seinem.) Fassen Sie Gruppen wie Decken-, Tisch-, Stehlampe zusammen, sofern die Begriffe für Suchmaschinen nicht allzu sehr relevant sind.

Lesen Sie Ihren Text noch einmal durch

Haben Sie nach all diesen Schritten die Zeichenzahl unter die angestrebte halbe A4-Seite gedrückt und sind trotzdem der Meinung, dass jetzt eigentlich alles perfekt beschrieben sein müsste, machen Sie eine etwas längere Pause (oder schlafen Sie eine Nacht drüber) und lesen Sie Ihre Beschreibung danach mit frischem Kopf noch einmal konzentriert durch. Manchmal hilft es auch, den Text auszudrucken und gemütlich auf einem Sofa vom Papier zu lesen.

Endspurt und Antwort

Vermutlich werden Sie noch einige Details ändern wollen. Ist danach dann jedes Wort am richtigen Ort und das entstandene Bild entspricht genau dem, was Sie beschreiben wollten, schauen Sie auf die Uhr.

So viel Zeit (minus Pause) sollte (nicht unbedingt darf) man in einen guten Text investieren.

Und ja, Sie werden beim erneuten Durchlesen trotzdem noch den einen oder anderen Verbesserungsvorschlag finden.

* Die kurze Antwort: Ein guter Text orientiert sich am Leser, am Medium – und natürlich am Budget. Er beinhaltet alle wichtigen Informationen und lässt alles Unnötige weg. Er vermittelt neben der reinen Beschreibung auch ein Gefühl für das zu Beschreibende. Je mehr man als Leser ein Genau-so-muss-das-gesagt-werden-Gefühl hat, dieses sowas-kann-man-nur-ganz-genau-so-und-nicht-anders-ausdrücken, desto mehr Zeit hat es dafür gebraucht.